FDP und Grüne in Wallenhorst kritisieren Kommunalverfassung

Das Rathaus in Wallenhorst. Symbolfoto: Wallenhorster.de
Das Rathaus in Wallenhorst. Foto: Rothermundt / Wallenhorster.de
Kleineren Fraktionen droht der Verlust von Stimmrechten, kritisieren FDP und Grüne in Wallenhorst. Sie appellieren an die Landtagsabgeordneten von CDU und SPD in Bezug auf die geplante Novellierung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes.

„Die Pläne von SPD und CDU im Landtag, das Auszählverfahren für die Ausschüsse in den Räten und Kreistagen zu ihren Gunsten zu verändern, offenbart ein fragwürdiges Demokratieverständnis. Die Wählerinnen und Wähler in Wallenhorst haben die kleineren Fraktionen, die Grünen und auch die FDP, deutlich gestärkt. Wenn jetzt trotz des Zugewinns an Mandaten das Stimmrecht in den Ausschüssen genommen wird, entwertet die Große Koalition die Stimmen dieser Bürgerinnen und Bürger“, kritisiert FDP-Ratsherr Markus Steinkamp die geplante Reform des Kommunalverfassungsgesetzes, vor der die FDP Wallenhorst schon im April gewarnt hat. Steinkamp, welcher der Ratsfraktion der Freien Demokraten in der nächsten Wahlperiode vorsitzen wird, ergänzt: „Ich hätte mir ernsthaft nicht träumen lassen, dass ich in Niedersachsen erlebe, wie die Regierungsfraktionen erst die Kommunalwahl im September abwarten, um dann nach Auswertung der Ergebnisse die Sitzverteilung in den Ausschüssen im Oktober zu ihren Gunsten zu verändern, bevor im November Räte und Kreistage zusammentreten. Eine solche Arroganz der Macht erwartet man von autokratischen Regimen, nicht von einer Landesregierung in Deutschland.“

Auch Rüdiger Schulz, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / Die Grünen im Gemeinderat sowie Mario Wöstmann, Vorstand Bündnis 90 / Die Grünen vom Ortsverband Wallenhorst, kritisieren: „Vermeintlich kleinere Parteien und Wählergruppen (in unserer Gemeinde somit aktuell die FDP und die Grünen) werden in den Ausschüssen tendenziell weniger (bis keinen) Sitze erhalten als die prozentuale Menge der Wählerinnen und Wähler Stimmen ergibt. Umgekehrt wird der Anteil „großer“ Parteien begünstigt. Der Wille der Wählerinnen und Wähler wird somit verzerrt, da nicht mehr alle Argumente und Ideen in den Ausschüssen zu beispielsweise Finanzen oder Kindergärten, Schulen und Bildung abgebildet werden.“

Schulz und Wöstmann ergänzen: „Auch wenn FDP und Grüne aufgrund der Steigerungen in ihren Wahlergebnissen inzwischen sogar profitieren können (zum Beispiel in der Stadt Osnabrück), lehnen wir diese Änderung ab. Denn es wird in die Erfolgswertgleichheit (jede Stimme ist gleich viel Wert) der Wählerinnen und Wähler eingegriffen und die Chancengleichheit politischer Parteien / Wählergruppen beeinträchtigt. Wir plädieren für eine Ablehnung dieses Gesetzesvorhaben und eine Umstellung auf das allseits als mathematisch gerecht anerkannte Sitzzuteilungsverfahren „Sainte-Lague-Schepers“ vorzunehmen. Dieses wird bereits seit 2009 bei Bundestagswahlen angewendet.“

Nach dem vorgesehenen Wechsel des Zählverfahrens für kommunale Ausschüsse würden viele Stimmrechte der kleineren Fraktionen auch in Wallenhorst zukünftig wegfallen zugunsten von Sozial- und Christdemokraten, so die FDP in einer Mitteilung. Während die Grünen für ihren Sitz im Aufsichtsrat der Wasserversorgung Wallenhorst ebenso wie für ihren zweiten Sitz in den Fachausschüssen bei aktueller Größe einen Losentscheid gegen die SPD gewinnen müssen, wird die FDP gleich ganz aus dem Verwaltungsausschuss und dem Aufsichtsrat der Gemeindewerke gedrängt. Der zukünftige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Marco Barenkamp fordert nun: „Wir erwarten, dass die Zusammensetzung der Ausschüsse weiter nach dem bisherigen Verfahren erfolgt. Dafür sollten auch die Wallenhorster Landtagsabgeordneten von SPD und CDU eintreten. Das haben wir auch in entsprechenden Schreiben an die Abgeordneten zum Ausdruck gebracht. Es widerspricht deutlich dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger, wenige Wochen nach der Kommunalwahl so mit ihren Stimmen umzugehen.“

Die Argumentation, man wolle die Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse gewährleisten, löst bei Barenkamp nur Kopfschütteln aus: „Wenn die Wählerinnen und Wähler viele verschiedene Stimmen in die Parlamente wählen, muss man sich mit dieser Vielfalt auseinandersetzen, statt sie einzuschränken“, findet Barenkamp und fügt hinzu: „Außerdem konnte die Landesregierung auf Nachfrage der FDP-Fraktion im Landtag bisher keine Beispiele nennen, wo die Arbeitsfähigkeit von Ausschüssen gefährdet wäre oder wo die Änderung des Zählverfahrens konkret für mehr Stabilität sorgt.“ Markus Steinkamp stimmt dem zu: „Es geht hier offenkundig nur darum, sich zusätzliche Posten zu sichern. Das ist besonders bitter in Zeiten einer angespannten Haushaltslage.“ Denn während Stimmen der Regierungsparteien in Hannover davon sprechen, Entscheidungskosten zu minimieren, muss Wallenhorst bei Umsetzung der vorgeschlagenen Änderung in der kommenden Ratsperiode laut Steinkamp wohl mehrere zehntausend Euro zusätzlich aufbringen. Steinkamp erklärt: „In die Gremien müssen die von Abstimmungen ausgeschlossenen Parteien trotzdem im Rahmen der Grundmandate mit Rederecht geladen werden; Ausschüsse müssen vergrößert werden, damit Parteien die Ihnen zustehenden Vorsitze und Stellvertretungen entsenden können. Die Gremien werden entsprechend größer und es fallen zusätzliche Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder usw. an. Es wird kaum etwas einfacher oder stabiler, nur teurer“, erklärt Steinkamp abschließend und hofft, dass die örtlichen Landtagsabgeordneten den Mut haben, das Wohl ihrer Heimatgemeinde höher zu gewichten als den Machtanspruch ihrer Parteien.

F. Ro. mit pm (fdp/grüne), Symbolfoto: Rothermundt / Wallenhorster.de