Die Stadt spricht: Was Zettel über uns verraten

Sie hängen an Ampelmasten, Schwarzen Brettern und Stromkästen: handgeschriebene Zettel. Sie suchen, fluchen und fordern. Die Wallenhorsterin Frauke Lüpke-Narberhaus sammelt diese Zettel und recherchiert die Geschichten dahinter. Im November liest sie aus ihrem Buch in der Lagerhalle Osnabrück.

Das Foto von Jonas’ Zettel trug ich ein Jahr mit mir herum, abgespeichert auf meinem Handy. „Alles an Dir ist bezaubernd“, stand darauf. „Bitte vergib mir, wenn ich Schwachsinn geredet haben sollte. Jonas.“ Es war der erste Zettel.

Immer wieder wollte ich bei ihm anrufen. Hatte er die Frau gefunden, die er suchte?

Die Frage, welche Geschichte sich hinter dem Zettel verbarg, hatte mich nicht mehr losgelassen. Ab jetzt achtete ich auf all die Schätze, die in Deutschlands Städten an Schwarzen Brettern hingen, an Litfaßsäulen, Stromkästen und Bäumen. Denn sie erzählen, welche Themen Menschen bewegen, was sie ärgert, freut und verzweifeln lässt.

Tausende Zettel buhlen in Deutschland um Aufmerksamkeit. Jeder Schreiber hat eine ganz eigene, meist sehr persönliche Motivation. Und doch haben sie etwas gemein: Sie sind auf der Suche, wollen protestieren, verstehen die Zettel als Kunst oder als Botschaft an die Leser.

  • Gesucht werden Pfeil und Bogen, die große Liebe, Sex (ohne Liebe).
  • Protestiert wird gegen das Internet, Fahrraddiebe und die Bibel.
  • Hinterfragt wird, warum Damen- und Herrentoiletten nach Geschlechtern getrennt sein müssen und wieso in der Stadt so viel verboten ist.
  • Gefordert werden Gerechtigkeit für Rentner, Flachlandgorillas und Stadttauben.

Drei Jahre lang habe ich all diese Zettel in ganz Deutschland gesammelt und die Geschichten dahinter recherchiert. Daraus ist ein Buch entstanden: “Herz verloren – Hund gefunden. Zettel und ihre Geschichten”, das im Herbst im Piper-Verlag erschienen ist.

Lesung in Osnabrück

Am November werde ich in der Osnabrücker Lagerhalle mein Buch vorstellen. Dabei werde ich auch erzählen, warum Jonas sich über meinen Anruf freute. Und wie der Zettel eine Zeit lang sein Leben bestimmte.

Die Lesung in der Osnabrücker Lagerhalle beginnt am Dienstag, den 15. November, um 20 Uhr. Die Karten kosten im Vorverkauf 7 und an der Abendkasse 9 Euro (ermäßigt 7). Online sind Tickets hier erhältlich.

F. L-N, Fotos: Zettelgold / Katharina Tenberge, Theo Lüpke-Narberhaus, Paolo Seyfarth

Information über die Autorin

Die gebürtige Wallenhorsterin Frauke Lüpke-Narberhaus (1983) leitet das Online-Magazin bento für SPIEGEL ONLINE, zuvor arbeitete sie als Redakteurin in den Ressorts Uni- und SchulSPIEGEL. Sie besuchte die Henri-Nannen-Schule mit Stationen bei SPIEGEL, Zeit, Berliner Zeitung sowie Stern View. Sie arbeitete als freie Journalistin in Schweden, als Arthur F. Burns Fellow beim Boston Globe sowie als Stipendiatin des IJP Nordeuropa-Programms in Island. Ihr Studium absolvierte sie in Münster und Stockholm.